Impuls der Woche - Orte schaffen, an denen Gott spürbar ist (18. Oktober 2025)

Vor einiger Zeit hat mich jemand auf eine Predigt angesprochen, die ich kurz zuvor gehalten hatte. Ich hatte davon gesprochen, dass wir Erfahrungsorte des Glaubens schaffen wollen.
Dass es Orte geben soll, an denen wir mit anderen über Gott ins Gespräch kommen. Orte, an denen spürbar wird: Gott ist da.
Der Mann, der mich angesprochen hatte, erzählte mir, dass er seit Jahren in seiner Gemeinde engagiert sei und er es schade fände, dass unter „Orten“ im kirchlichen Kontext eigentlich immer nur Kirchengebäude verstanden würden.

Wörtlich sagte er: „In Ihrer Predigt ging es ja auch wieder nur um Steine“. Noch bevor mir etwas als Erwiderung einfiel, mischte sich eine junge Frau ein und widersprach ganz energisch. „Nein, nein, sagte sie, ein Ort, an dem Gott ist, das kann doch auch mein Küchentisch zu Hause sein - Wenn meine Kinder und ich um den Tisch herumsitzen und ein Tischgebet sprechen, dann ist Gott auch da. Und genauso lässt Er sich finden, wenn ich zum Beispiel in der Natur überwältigt bin von der Schönheit der Schöpfung“.

Das kurze Gespräch hat mich überrascht. Natürlich hat die junge Mutter ganz recht. Es geht nicht nur um Kirchengebäude, wenn wir Erfahrungsorte des Glaubens schaffen wollen. Überrascht haben mich aber ihre Beispiele: der Küchentisch und die Naturerfahrung. Darauf wäre ich wahrscheinlich jetzt zunächst mal gar nicht so sehr gekommen.
Allerdings nach diesem kurzen Wortwechsel war ich dann schon nochmal etwas demütiger als zuvor. Mir ist aufgegangen, dass wir alle viel, viel mehr und viel selbstverständlicher darüber sprechen sollten, wie und wo wir Gott erfahren.

Dann werden sogar solche Gespräche zu Erfahrungsorten. Und jeder von uns kann sie erschaffen, indem wir unsere Erfahrungen mit Gott teilen.

Ihr Rainer Woelki, Erzbischof von Köln.