Bochum-Linden - Das "neue" Geläut der Liebfrauenkirche

Auf die Ruhrhöhen, einer nördlich des Ruhrtales aufsteigenden Hügelkette im Bereich der Gebiete von Bochum und Essen, schmiegt sich im landschaftlichen Auf und Ab der Ort Linden, seit 1921 Linden/Dahlhausen, seit 1929 Teil der Stadt Bochum. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte ~890 als „villa Linninun“ in den Heberegistern der Abtei Werden. Linden war lange Zeit eine selbstständige Bauernschaft im Amt Blankenstein und bis zur Eingemeindung nach Bochum eher dem Bereich und Gericht Hattingen zugeordnet. Hier leben heute ~14.000 Einwohner. Schon im Mittelalter wurde an den Hängen zur Ruhr Kohle im Tagebau und später im Stollenbau abgebaut, viele alte Stollenmundlöcher sind noch erhalten. Der Bereich um die Ruhrhöhen kann als eine der Wiegen des Bergbaus im Ruhrgebiet bezeichnet werden.

Zu Beginn des 15. Jh. wurde in Linden eine Kapelle St. Antonius Abbas errichtet. In der Reformation wurde die Kapelle simultan genutzt, sie ging 1633 ganz in protestantischen Besitz über. Seitdem mussten die Lindener Katholiken den weiten Weg über die Ruhr zur Pfarrkirche in Niederwenigern überwinden, oftmals erschwert durch Hochwasser oder Eis. Auch die Toten mussten auf den dortigen, katholischen Friedhof gebracht werden. Erste Pläne zu einem Kirchbau für Linden und Dahlhausen datieren auf 1820. Etliche Bittgesuche um finanzielle Hilfen, u. a. an den preußischen König, scheiterten. Erst 1843 wurde auf Bestreben Lindener Bürger auf dem heutigen, geschenkten Kirchgrundstück ein Fachwerkhaus als kath. Schule und Kapelle errichtet, der erste, eigene Geistliche kam 1845 nach Linden. Eine zweite, größere Notkirche wurde 1856 etwas weiter nördlich errichtet, seit 1858 war Linden eigene Pfarrei - bis 2008.

Ab den 1860er Jahren wurde der Bereich Linden/Dahlhausen von der Industrialisierung des Kohlebergbaus erfasst. Zu nennen sind hier vor allem die Zechen Hasenwinkel und Friedlicher Nachbar, die letztgenannte wurde 1961 stillgelegt. Ab 1864 wurde der Bau der heutigen Liebfrauenkirche verfolgt, errichtet nach Plänen von Gerhard August Fischer aus Barmen. Der Grundstein wurde 1865 gelegt, die Weihe war am 27.09.1866. Der Bau wurde nur langsam von der nicht finanzstarken Gemeinde ausgestattet, der Turmhelm stürzte 1868 durch einen Sturm ein und musste wiederaufgebaut werden. Die Kirche erwies sich bald als zu klein. Querhäuser und Seitenschiffe (und Chor?) wurden 1901 nach Plänen von Hilger Hertel d. J. erweitert. Einen Eindruck des ursprünglichen Baus bieten heute die Hochwände des Langhauses und der Turm. Große Teile der Ausstattung wurden bereits 1936-39 einer Neuausstattung geopfert. Zur heutigen Ausstattung finden sich Anmerkungen im Film.

Für die Antoniuskapelle ist eine Glocke von 1522 mit der Inschrift „Jesus Maria Johannes“ belegt. Die erste Notkirche bekam 1844 eine Glocke, auf den Namen des Stifters „Caspar“ geweiht. Die zweite Notkirche hatte dann wohl mind. 2 Glocken, denn ein Sturm brachte 1858 den hölzernen Turm zum Einsturz, die Glocken zerbrachen. Bereits 1858 lieferte der Bochumer Verein 3 Stahlglocken in c‘‘ es‘‘ g‘‘, die 1866 auch zunächst in den Turm der neuen Kirche gehängt wurden. Erst 1895 wurde an ein „richtiges Geläut“ gedacht, da man die Glocken als zu klein und unharmonisch empfand. Die Chronik berichtet bereits von der geringen Raumgröße der Glockenstube, so dass man 1895 nur 3 Glocken fis‘ a‘ h‘ (1644 kg gesamt) aus der Glockengießerei Otto in Bremen-Hemelingen erwarb. Die kleinen Stahlglocken gab man nach Bochum-Gerthe ab. Mind. 2 der Bronzeglocken werden im 1. Weltkrieg untergegangen sein. 1921 lieferte der Bochumer Verein ein überdimensioniertes Geläut c‘ es‘ ges‘, die große Joseph-Glocke musste ins Geschoss unter der Glockenstube gehängt werden und konnte sich klanglich nie richtig entfalten.

Schwerwiegende Rostschäden am oberen Glockenstuhl erzwangen 2019 eine Stilllegung der Glocken und eine Reparatur. Man entschied sich jedoch für einen Austausch der Stahlglocken und fand geeigneten Ersatz im Geläut der profanierten Kirche St. Johannes in Gladbeck, 2022 abgerissen. Die 4 kleinen Glocken hängen in der eigentlichen Stube in einem neuen Glockenstuhl, die große Glocke wurde an einem Holzjoch im Stahlstuhl der ehem. großen Stahlglocke aufgehängt. Somit bleibt die Klangentfaltung des Vollgeläutes problematisch, insgesamt darf sich die Liebfrauengemeinde aber über ein vielgestaltiges, leicht zart wirkendes Geläut freuen. In der Tonlage wird nun das erste Geläut von 1895 wieder erreicht.

Geläutedaten (Name = Inschrift):

ST. PETER U. PAUL fis‘ -4, 1110 mm, ~810 kg
ST. LUDGER gis‘ -4, 976 mm, ~550 kg
ST. JOHANNES ais‘ -4, 864 mm, ~370 kg
ST. BARBARA cis‘‘ -3, 740 mm, ~220 kg
ST. BERNHARD dis‘‘ -3, 655 mm, ~150 kg

Alle Glocken 1965 von Petit & Gebr. Edelbrock, Gescher.

Sequenz des Stahlgeläutes: Aufnahme von S. Schritt, Trier, 12.7.20

Aufnahme: 21.4.24

Herzlicher Dank gilt S. Schritt für die Erlaubnis zur Nutzung der Aufnahme.

Bildquellen/Verwendete Quellen: siehe 1., markierter Kommentar.