Turl Wiener: AUF DER ELEKTRISCHEN (1907)

Turl Wiener, Kolosseum Wien, mit Orchesterbegleitung: AUF DER ELEKTRISCHEN
Jumbo Record A. 98002
Mx.-No.: xVO 15
Wien, Ende 1907

Diesmal ausnahmsweise keine Tanzmusik, kein Jazz oder Ragtime. Dafür aber ein sehr zeittypischer Wiener Juxmarsch, hier gesungen von dem legendären Wiener Original Turl Wiener (bürgerl. Theodor Windbrechtinger).

Die "Elektrische", das war natürlich die neumodische, damals erst vor kurzem elektrifizierte Wiener Straßenbahn. Deren Transportkapazitäten dürften damals bis aufs äußerste ausgereizt gewesen sein, wie man aus dem Text zu schließen könnte. Die Originalplatte ist zwar relativ gut erhalten, war aber dennoch schwer zu digitalisieren. Deshalb hier zum Mitlesen der Text (bis auf ein paar wenige, auch mir als geübten Schellackhörer vollkommen unverständliche Textstellen):

Geht man früh aus dem Haus
und kommt auf d'Straß'n raus,
da steh'n die Menschen schon
bei jeder Station
und alles schreit: "Uje,
wo bleibt d'Elektrische?"
So mancher 's gnädig hat
drin in der Stadt.

A B'soffener, der schreit,
beleidigt alle Leut',
fangt mit'm Würschtelmann
deshalb zum rauf'n an.
Frau Kohn, ä Gänslerin
(...)
"mi g'friert schon in die Füß',
Gott, is mir mies!"

Frau Sopherl, dick wie (...),
an alte Jungfrau mit ihr'm Hund,
und dann a kecker Schusterbua
lacht jeden aus und gibt ka Ruah.
"Na gottseidank, jetzt is sie da,
d' Elektrische!" schreit Přihoda.
Da ruft vom Wag'n der Kondukteur:
"Komplett is, bitte sehr!"

Jetzt kommt der nächste Wag'n
und wieder hört man sag'n:
"Komplett is, bitte sehr,
der nächste Wag'n is leer!"
A Herr mit lange Haar'
schreit: "So is s'ganze Jahr!"
Der B'soffene schreit glei drauf:
"Jetzt hängt's euch auf!"

Jetzt wird d'Frau Sopherl wild.
"Was", schreits, "(...)"
springt auf'n Wagen dann,
der B'soffene hängt sich an.
Jetzt fahrt der Wagen weg,
Frau Sopherl kriegt an Schreck,
und bums! liegn's alle zwa
am Trottoir.

Frau Kohn kriegt einen Rippenstoß,
auf d'Schienen fallt sie mit der Nos'
der Schusterbua hat sich empfohl'n,
hat der Frau Kohn a Gans gestohl'n.
Frau Meier mit der Tasch'n schreit:
"Mei Gott, I hab' scho d'höchste Zeit!
Kommt jetzt net bald a Wag'n daher
g'schieht heut' no a Malheur!"

Jetzt schrei'n s' vor Freud': "Hurra,
der dritte Wag'n is' da!"
Es is a Drängerei,
viel Lärm und viel Geschrei.
Es zieh'n sie her und hin,
Frau Kohn, die Gänslerin
schreit: "Was san dos für Tanz?
Mir fehlt ä Gans!"

Der B'soffene drängt sich rein
und bricht zwa Fenster ein.
Der Kondukteur tuat sag'n:
"Se brechen ja den Wag'n!"
Da schreit der B'soffene:
"Ja, hörn 's, wer san denn se?"
Drauf ruft der Kondukteur
an Wachmann her.

Jetzt kriagt der B'soffene erst a Wut,
haut ein noch an Zylinderhut.
A tempo wird er arretiert.
Der Kondukteur ruft ganz verwirrt:
"Das beste hab jetzt I von all'm,
I kann jetzt no die Fenster zahl'n!"
Der Přihoda schreit: "Jetzt is' Schluss,
da geh I lieber z'Fuß!"