Alter Mann am Rand der Bühne - feat. KW

Text: Roger Rako
Musik, Gesang, Arrangement durch Mureka AI
Foto generiert durch Open AI

Dass eine Frau mach Missbrauch eines Machtgefälles erst 15 Jahre später an die Öffentlichkeit geht, ist mit Blick auf Scham, Machtstrukturen und MeToo-Dynamiken typisch. Die öffentlichen Debatten rund um MeToo führen zwar zu einer stärkeren Normierung männlichen Machtverhaltens, werden von manchen Männern aber als pauschale „Ächtung“ erlebt. Für die Betroffene ist eine solche Beziehung mit massivem Alters- und Machtgefälle hoch anfällig für Traumatisierung, ambivalente Gefühle und lange Nachwirkungen, auch bei formaler Einvernehmlichkeit.

Für mich schließen sich zwei Dinge nicht aus: Dass ein prominenter Sänger einer jungen Frau Unrecht getan hat – und dass er ein großer Künstler ist, der aus seinen Fehlern lernen kann. Ich respektiere das Leid der Betroffenen, glaube aber auch daran, dass moralische Schuld nicht zwangsläufig lebenslang jede Form von Anerkennung auslöscht, wenn jemand aufrichtig Verantwortung übernimmt.

Ich verurteile sein Verhalten, aber ich cancel ihn nicht. Ich glaube an Verantwortung, Reue und Entwicklung – und kann seine Kunst weiter schätzen, während ich das Leid der Betroffenen anerkenne. Es gibt übergriffige Shitstorm-Dynamiken, die Menschen sozial „erschlagen“, ohne jede Chance auf Neuanfang. Das darf man kritisieren, ohne Übergriffe zu relativieren.

Ja, man darf Läuterung und Entwicklung honorieren und ist nicht moralisch verpflichtet, einen Künstler zu canceln, nur weil andere es tun - solange das Leid der Betroffenen nicht wegdiskutiert oder ins Lächerliche gezogen wird.