Kennst du Bachs C-Dur-Präludium wirklich? Michael Aschauer / Peter Oberosler

Das Praeludium in C-Dur BWV 846 von Johann Sebastian Bach (1685–1750), weltbekannter „Opener“ des Wohltemperierten Klaviers, ist in vielen verschiedenen Notenausgaben überliefert, die die Bach-Rezeption auf ausgesprochen spannende Weise widerspiegeln. Wie verblüffend unterschiedlich das Klavierstück klingen kann, offenbart ein Vergleich der Editionen von Carl Czerny (1791–1857, Schüler von Ludwig van Beethoven und Lehrer von Franz Liszt), Julius Röntgen (1855–1932) und, im Ausblick auf das nächste Video, Ferruccio Busoni (1866–1924). Die Herausgabe entspricht in diesen drei für die Musizierpraxis ausgerichteten Notenausgaben zugleich auch einer Interpretation des Stückes, während sich die wegweisende Alte Bach-Gesamtausgabe (ab 1850) ebenso wie die Neue Bach-Gesamtausgabe streng wissenschaftlich an den Quellen orientiert. Vollends eine Kuriosität stellt letztendlich die Existenz eines zusätzlichen, eingeschobenen Taktes innerhalb des Präludiums dar, der in so manchen Notenausgaben enthalten ist und gar nicht von Bach stammt, sondern vermutlich von Christian Friedrich Gottlieb Schwencke (1767–1822) – alles in allem ist dieses C-Dur-Präludium ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass es für das klangliche Ergebnis durchaus relevant sein kann, welche Notenausgabe zum Musizieren verwendet wird.

Ausgabe von Carl Czerny (1837, hier Nachdruck von 1893): https://vmirror.imslp.org/files/imgln...

Alte Bach-Gesamtausgabe (1866): https://s9.imslp.org/files/imglnks/us...

Weitere Informationen zum zusätzlichen "Schwencke-Takt" im Präludium: https://blog.henle.de/de/2012/04/16/a...

Ausgabe von Ferruccio Busoni (1894): https://vmirror.imslp.org/files/imgln...

Editionen, Kompositionen und Arrangements von Michael Aschauer: https://www.helbling.com/at/de/person...

Klangliche, körperliche und performative Veränderungen im Transkriptionsverfahren Ferruccio Busonis:
https://www.uibk.ac.at/iup/buecher/97...